
Besichtigung der Rheinbrücke Leverkusen am 29.09.2022
Einige unserer Mitglieder werden noch die beeindruckende
Besichtigung im Hohlkasten unter der
Fahrbahn der alten Rheinbrücke mit ihren vielen Schadstellen in Erinnerung
haben. Die alte Brücke, die wir 2015 besichtigt haben, ist nach wie vor unter
Verkehr, wenn auch mit Einschränkungen für den Schwerlastverkehr. Über den
Rad-/Gehweg der alten Brücke konnte unsere Gruppe die Baustelle des ersten
Überbaus auf beiden Rheinseiten aus nächster Nähe besichtigen.
Während am alten Bauwerk immer noch Schweißarbeiten stattfinden, um es instand
zu halten, wird an der neuen Rheinbrücke Leverkusen fleißig gebaut:
In Stufe 1 wird eine neue Brückenhälfte nördlich der bestehen Brücke gebaut. Dieser Teil wird im Moment gebaut. Es fehlt noch der Lückenschluss über dem Rhein. Der neue Überbau für diese Fahrtrichtung hat später sechs Spuren: 4 geradeaus und zwei Zubringerspuren.
In Stufe 2 wird die alte Brücke abgerissen werden.
In Stufe 3 wird dann zuletzt die zweite Hälfte der neuen Brücke an die Stelle der alten gesetzt.
Da diese Besichtigung sehr viele Informationen zu konstruktiven Details zu bieten hatte, ist der Bericht diesmal in zwei Teile geteilt: die Sicht des eher “ahnungslosen“ Betrachters ergänzt durch die konstruktiven Informationen.
Schon aus Sicht eines Betrachters, der sich nicht mit den konstruktiven Details auskennt, ist das Bauwerk beeindruckend:
Das Bauwerk gliedert sich in die linksrheinische Vorlandbrücke und die anschließende Strombrücke über den Rhein. Der Überbau wird zweiteilig ausgeführt, um später bei Sanierungen oder Neubau den Verkehr auf die andere Fahrtrichtung umlegen zu können.
Im Vorlandbereich besteht die Brücke aus Spannbeton mit einer Fahrbahnplatte aus Beton. Die Betontröge haben ein Volumen von 500 m³ Beton (das sind etwa 60 Fahrzeuge) und die Fahrbahnplatte von 1.000 m³ (entsprechend etwa 120 Fahrzeuge). Zur Durchführung der Betonage sind ca. 35 Mitarbeiter erforderlich.
Die Strombrücke besteht in den Randfeldern aus einem Stahlverbundsystem mit Hohlkästen von 6 m Breite und 4 m Höhe. Die Hohlkastenelemente haben jeweils eine Länge von 23 m und wiegen bis zu 240 t. Sie werden per Schiff angeliefert und mit einem Raupenkran an Ort und Stelle gebracht. Bis Mitte Oktober werden 2/3 der insgesamt rund 15.000 t Stahl für den ersten Überbau verbaut sein. Ab Januar 2023 wird dann mit dem Einbau der Segmente über dem Rhein begonnen. Mitte 2023 soll dieser Abschnitt fertig sein. In diesem Zeitraum wird es auch eine Inselbaustelle im Rhein geben, da der Rhein für die Arbeiten nicht komplett gesperrt werden darf.
Übrigens: 20 bis 30 Tieflader brauchte es, um den Raupenkran über
den Rhein zu bringen.
Er musste sieben Mal die Rheinseite wechseln, da abschnittsweise auf beiden
Seiten gebaut wurde. Der Boden musste für die hohe Belastung durch den
Raupenkran erst einmal verbessert werden. Dazu wurden in einem Dreiecksraster
von 1,50 m Kantenlänge Rüttelstopfsäulen in den Boden eingebracht, die mit
gewaschenem Kies gefüllt wurden.
Dafür waren ca. 2.000 Bohrungen zur Untersuchung auf Kampfmittel erforderlich.
Das Feld über dem Rhein hat mit 280 m die größte Spannweite.
Gehalten durch Schrägseile, die an Pylonen aufgehängt sind. Drei Lärmschutzwände
sorgen für eine ausreichenden Lärmschutz. Jeweils eine außen (zwischen Fahrbahn
und Rad-/Gehweg) sowie eine Wand in der Mitte.
Auf der Strombrücke wird später eine Gussasphaltschutzschicht und eine
Deckschicht aus Splitmastix eingebaut. Die Anschlussbereiche an die Strecke zu
beiden Rheinseiten, sowie die Vorlandbrücke, erhalten eine Deckschicht aus offenporigem
Asphalt für einen verbesserten Lärmschutz. Das Regenwasser wird später in
Klärbecken geleitet.
Die Schrägseilbrücke hat pro Überbau jeweils 64 Seile, die Fahrbahn und Pylon verbinden. Ein Pylon wiegt 1050 t. Ihn aufzustellen dauert zwei Wochen.
Nicht, dass das Projekt nicht auch so schon anspruchsvoll genug wäre. Erschwert werden die Arbeiten auf der Leverkusener Seite durch die Altablagerung Dhünnaue. Um eine Verunreinigung des Rheins zu verhindern, sind mehrere Maßnahmen erforderlich:
- Es wurde ein zusätzlicher Brunnen eingerichtet, um ein Ablaufen des Grundwassers in Richtung Rhein zu verhindern. Das Wasser muss (genauso wie das restliche Grundwasser aus der Altablagerung) geklärt werden.
- Das zu entfernende Material aus der Altablagerung wurde innerhalb einer Schutzeinhausung gefördert und in verschlossenen Containern abtransportiert. Zusätzlich wurden z.B. die Reifen der Lkw gereinigt, bevor sie den Baustellenbereich verließen.
- Die Abdichtung der Altablagerung, die durch die Baustelle geöffnet wird, wird später wieder geschlossen. Für eine zum Rhein hin vorhandene Dichtwand gab es aus der Planfeststellung die Anforderung, dass diese im Zuge der Arbeiten erneuert wird.
- Da der Untergrund nicht tragfähig ist, ist im Deponiebereich eine Tiefgründung erforderlich. Hier wurden zusätzlich Kunststoffrohre zum Schutz der Tiefgründung gegen den Angriff durch Schadstoffe eingebracht.
Und für alle, die gerne ein wenig mehr Informationen über die konstruktiven Details haben möchten:
- Die linksrheinische
Vorlandbrücke mit Stützweiten von 53,50 m + 4x 68,00 m + 51,45 m und einer
Gesamtlänge von 376,95 m wurde als zweistegiger Durchlaufträger mit begehbaren
Hohlkastenquerschnitten der Längsträger ausgebildet.
Die 3,50 m hohen Hohlkästen wurden in Mischbauweise vorgespannt, d.h. mit einbetonierten Spanngliedern und mit extern, also außerhalb des Betons geführten Spanngliedern, die im Inneren der Hohlkästen verlaufen, vorgespannt.
Der Überbau wurde abschnittsweise auf einem Traggerüst betoniert. Dabei wurden zuerst die Hohlkastentröge und anschließend die Fahrbahnplatte über beide Tröge hinweg betoniert.
Zum Zeitpunkt der Baustellenbesichtigung war der vorletzte Bauabschnitt der Fahrbahnplatte kurz vor der Betonage. - Am westlichen Ende der
Vorlandbrücke ist der Überbau auf einem Widerlager aufgelegt, das mit
Naturstein verblendet wird. Unter den beiden Hohlkästen sind in den
Pfeilerachsen massive Betonpfeiler angeordnet.
Am östlichen Ende der Vorlandbrücke liegt der Überbau auf einem Trennpfeiler auf, auf dem auch der Überbau der anschließenden Strombrücke aufliegt. - Der Überbau der
Strombrücke besteht im Wesentlichen aus drei Bereichen:
Am westlichen Vorland besteht der Überbau mit Stützweiten von 52,70 m + 2x 74,00 m aus einem Verbundquerschnitt mit zwei begehbaren Stahlhohlkästen und einer Fahrbahnplatte aus Stahlbeton.
Das anschließende 280 m lange Stromfeld wird mit einem Stahlüberbau mit zwei begehbaren Stahlhohlkästen und einer orthotroper Fahrbahnplatte gebildet.
Der rechtrheinische Vorlandbereich mit Stützweiten von 2x 74,00 m + 60,00 m besitzt wieder den Verbundquerschnitt wie auf der linksrheinischen Seite. Dabei sind die Hohlkästen weit nach außen gerückt, sodass an deren Außenseiten die Seilkästen für die Schrägseile angebracht werden. - Der Stromüberbau wird
zu den Strompfeilern hin je Außenseite mit acht Tragseilen gehalten. Zur
Ableitung der Seilkräfte sind von den Strompfeilern zu den Vorlandbereichen hin
ebenfalls acht Seile angeordnet.
Die Unterteilung des Überbaus in die Verbundüberbau- und Stahlüberbaubereiche dient so zur optimalen Gewichtsverteilung. Im Stromfeld wird der Überbau als leichterer Stahlüberbau und in den Vorlandbereichen als schwerer Verbundüberbau ausgebildet, um diese Bereiche als Gegengewichte für die Seilverspannung zu nutzen. - Die beiden
Strompfeiler sind unterhalb des Fahrbahndecks als Stahlbetonpfeiler und
oberhalb als Stahlkonstruktionen ausgebildet. Die Stahlhohlkästen der
aufragenden Schrägstiele sind oben durch einen Querriegel verbunden.
Durch Leitern und Aufzüge können die Hohlkästen begangen und so die Seilkammern der Schrägseilbrücke inspiziert werden.
Zum Zeitpunkt der Baustellenbesichtigung war der linksrheinische Pylon bereits aufgebaut und wurde verschweißt, am rechtsrheinischen wurden die Stahlschüsse des aufragenden Pylons mittels eines Raupenkranes eingehoben. - Die Fahrbahnplatten in den Vorlandbereichen waren bewehrt, sodass auch hier die Betonagen kurz bevorstanden.
- In Kürze werden die Stahlteile für das Stromfeld per Schiff angeliefert und mittels Litzenhebern in den Überbau eingehoben. Dabei erfolgt der Einbau im Freivorbauverfahren und gleichzeitiger Montage der Tragseile.
- Nach Komplettierung des Überbaus werden die Fahrbahnplatten abgedichtet, die Kappen hergestellt und an beiden Seiten Lärmschutzwände errichtet.