
„Verkehrspolitik im Spannungsfeld von Umwelt und Naturschutz“

Festvortrag von Oliver Krischer, Minister für Umwelt,
Naturschutz und Verkehr des Landes NRW
auf der Tagung der VSVINRWam 06.09. 2022 in Vaals NL
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Oehler, sehr geehrter Herr Baltzer,
herzlichen Dank für die Einladung und die Gelegenheit, zu Ihnen sprechen zu dürfen. Hier in meiner Heimat hätte auch ich die regionale Begrüßung übernehmen können. Den ein oder anderen von Ihnen kenne ich sehr gut; es gibt halt viele Beziehungen über die Grenze hinweg.
Von Herrn Baltzer wurde gerade beschrieben, wie sich diese Region verändert hat. Aus meiner Sicht zeigt es, welche Potenziale des europäischen Zusammenhalts sich hier bieten. Danke, dass Sie mit Ihrer Veranstaltung heute nach Vaals gekommen sind. Sie stehen als berufsfachliche Vereinigung in Nordrhein-Westfalen für rund 1800 Ingenieurinnen und Ingenieure des Straßenbau- und Verkehrswesens. Sie sind also ein „großer mittelständischer Betrieb“ oder, je nachdem wie man es sehen will, ein „kleiner Konzern“. Kompliment dafür!
Doch Sie leisten noch viel mehr: Sie sorgen dafür, dass innerhalb Ihres Berufsstandes ein regelmäßiger Austausch und Kontakte zwischen Verwaltungen, privaten Büros, Baufirmen und auch der Wissenschaft stattfindet. Bei den komplexen Bauprojekten, die wir zu bewältigen haben − ich komme gleich noch drauf – ist das ein ganz wichtiges Thema.Für den Austausch dienen sowohl Ihre regelmäßigen Exkursionen als auch Ihr jährliches Seminarprogramm. Freuen würde ich mich, wenn Sie mit Ihrem Seminarprogramm in den nächsten Jahren auch die besonderen Schwerpunkte unserer Verkehrspolitik unterstützen würden. Ich denke da vor allen Dingen an die Sanierung und Instandhaltung unserer Straßen und Ingenieurbauwerke – und natürlich den konsequenten Ausbau unserer Radinfrastruktur. Wir reden in diesem Kontext über viele Herausforderungen.
Ich bin zwar noch nicht lange im Amt, aber die Rahmede-Brücke, zwar als Teil der A45 nicht in unserer Zuständigkeit, beschäftigt uns natürlich intensiv. Sie ist ein ganz besonderes Beispiel für die Herausforderungen der nächsten Jahre. Sie werden sicherlich in den Koalitionsvertrag geschaut oder zumindest etwas von seinem Inhalt gehört haben. Hier möchte ich ansetzen – mit einem kurzen Überblick darüber, wie wir den Straßenbau und die Fahrrad-Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen zukünftig angehen wollen. Unser Ziel ist es, den Verkehr besser zu machen. Er soll effizienter, moderner und nachhaltiger werden. Dem Schutz des Klimas, werden wir dabei in Zukunft eine weitaus höhere Bedeutung zumessen und Umwelt und Natur dabei nicht aus den Augen verlieren.
Wie erreichen wir das am besten? Indem wir Wege finden, das offensichtlich bestehende Spannungsverhältnis zwischen Verkehr auf der einen und Klima-, Natur- und Umweltschutz auf der anderen Seite zu befrieden. Hier darf ich den Ministerpräsidenten zitieren: „die zentrale Herausforderung unserer Generation und dieses Jahrhunderts ist die Bewältigung der globalen Klimakrise“. Wenn wir in diesem Sommer die Beispiele vom austrocknenden Rhein und von den sterbenden Wäldern hier in der Eifel gesehen haben, müssen wir diese Entwicklungen dringend im Blick behalten. Darum müssen wir uns kümmern, und damit wird auch klar, dass der Verkehrssektor hier seinen entsprechenden Beitrag leisten muss.
Einen wesentlichen Schritt in diese Richtung haben wir schon gemacht, als die neue Landesregierung die für Verkehr, Naturschutz und Umwelt zuständigen Ressorts in einem Ministerium zusammengeführt hat. Die Konflikte, die es hier unzweifelhaft gibt, können wir nicht wegdiskutieren, aber wir können neue und pragmatische Lösungen suchen und die drei Komplexe zusammenführen. Und ich kann Ihnen sagen, dass sich in den ersten Wochen in meinem Ministerium an vielen Stellen schon Perspektiven und Chancen aufgetan haben. Wenn wir beispielsweise über das Thema Lärm reden, treffen Menschen aufeinander und sagen: Ja, darüber hätten wir eigentlich schon früher mal reden und versuchen sollen, dieses oder jenes Problem vielleicht ganz anders als bisher anzugehen.
Meine Damen und Herren, der neue Ressortzuschnitt bietet gute Chancen, bestehende Zielkonflikte zu identifizieren und möglichst aufzulösen. Nur so können wir die großen Herausforderungen der Mobilität bewältigen, denen wir uns in Nordrhein-Westfalen stellen müssen. Die Aufgaben, die wir da vor uns haben, sind wahrlich nicht zu unterschätzen! Nordrhein-Westfalen ist mit seiner Verkehrs-Infrastruktur und den verschiedenen Verkehrsträgern die zentrale Drehscheibe des Verkehrs nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Ein dichtes Netz von Straßen, Schienen und Wasserwegen bewältigt Tag für Tag enorme Personen- und Warenströme. Intakte, leistungsfähige, sorgfältig und mit großem fachlichen Wissen geplante und errichtete Verkehrswege bilden das Rückgrat unserer prosperierenden Wirtschaft und Gesellschaft.Und dieses dichte Netz, das über viele Jahrzehnte geplant, verwirklicht und evolutiv entstanden ist, müssen wir erhalten und weiterentwickeln, damit die Mobilitätsbedürfnisse von Wirtschaft, Gesellschaft und der Menschen angemessen befriedigt werden können. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch die notwendige Transformation zu einer klimaneutralen Mobilität hinbekommen. Eine ganz kleine Aufgabe ist das nun wahrlich nicht!
Meine Damen und Herren, ein hohes Verkehrsaufkommen, wie wir es besonders in unserem Bundesland im Moment haben, belastet das Klima. Der Ausbau der Infrastruktur führt regelmäßig zu erheblichen Eingriffen in Natur und Landschaft. Die Interessen von Umwelt- und Naturschutz sowie Verkehr werden also nicht von ungefähr oft als gegenläufig wahrgenommen.Verkehrswege zerschneiden natürliche Lebensräume, unterbrechen tradierte Wanderrouten der Tierwelt. Während der Naturschutz versucht, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts zu sichern, beeinträchtigen Verkehrstrassen – ungewollt – diese natürlichen Funktionen. Dem gegenüber steht der legitime und selbstverständliche Anspruch der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft, Waren und Dienstleistungen effektiv und nachhaltig über Verkehrswege bewegen zu können. Dem muss jede verantwortungsvolle Politik entsprechen und das zusammenbringen. Für mich eine meiner zentralen Herausforderungen. Das alles ist nicht neu: Schon heute werden bei der Verkehrsplanung die Belange von Natur- und Umweltschutz in vielfältiger Weise berücksichtigt. Dazu gehört natürlich auch, und da sind wir im Bereich der Stadt- und der Raumplanung, unnötige Personen- und Güterverkehre möglichst zu vermeiden und auf das jeweils umweltfreundlichste Verkehrsmittel zu verlagern. Corona hat es zum Beispiel gezeigt, dass die Arbeitswelt sich schnell wandeln kann. Homeoffice – bis vor wenigen Jahren ein hoch umstrittenes Thema, ist heute alltäglich geworden. Es ist selbstverständlich geworden, dass man zeitweise auch von zu Hause aus arbeiten kann. Dass damit auch Verkehre vermieden werden und auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wird, liegt auf der Hand.
Das alles sind Maßnahmen, die sich natürlich in der Verkehrspolitik wiederfinden werden. Um Eingriffe in Natur und Landschaft möglichst naturverträglich zu gestalten, hat der Gesetzgeber mehrere Instrumente zur Verfügung, um den Schutz der Natur langfristig zu gewährleisten. Verträglichkeitsprüfungen und Eingriffsregelungen helfen dabei, negative Auswirkungen von Bauvorhaben auf Natur und Landschaft zu vermeiden oder zu kompensierenDazu gehört auch, dass wir Schutzgebiete definieren, in denen Verkehrsaktivitäten nicht stattfinden sollen. Um ein Beispiel hier in der Region zu nennen: niemand käme auf die Idee, eine neue Straße oder einen anderen Verkehrsweg durch den Nationalpark Eifel zu bauen - ein bevorzugter und klar definierter Schutzraum, der von Trassenplanungen freizuhalten ist. Am Ende geht es darum, beim Ausbau, bei der Weiterentwicklung, aber auch bei der Erhaltung der Infrastruktur mögliche Konflikte klar zu definieren und alle Argumente des Für und Wider auf den Tisch zu legen. Nur, wenn die Interessen beider Seiten ihre Berücksichtigung finden, kann man zu ausgewogenen Lösungen kommen und die gemeinsam in der Öffentlichkeit vertreten.
Die große Herausforderung der Verkehrsplanung besteht also darin, einerseits eine gut vernetzte Infrastruktur mit größtmöglicher Sicherheit und Leichtigkeit für die Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu schaffen und dabei andererseits die Beeinträchtigung für Natur und Landschaft so gering wie möglich zu halten. Das bedeutet, eine vorausschauende Raumplanung zu betreiben und sich der naturräumlichen Situation anpassen. Wir brauchen einen Ausbau der Infrastruktur - den dabei häufig unvermeidbaren Zielkonflikten, müssen wir uns stellen! Auch für den Bau von Radwegen wird Fläche benötigt, in Landschaften eingegriffen, werden Böden versiegelt. Derartige Fragen müssen wir lösen. Dazu gehören aber auch ein bisschen guter Willen, ein bisschen Pragmatismus und ein bisschen Gefühl für die wirklichen Prioritäten.
Meine Damen und Herren, über die verkehrspolitischen Ziele der neuen Landesregierung gibt der zwischen den Parteien beschlossene Koalitionsvertrag umfassend Auskunft. Daraus will ich Ihnen ein paar generelle Punkte in Erinnerung rufen, weil sie ganz gut beschreiben, wo die Landesregierung die Prioritäten sieht:Der öffentliche Verkehr, der Schienen- und der Radverkehr sind das Rückgrat einer zukunftsfähigen, nachhaltigen und vernetzten Mobilität. Dieser Satz steht am Anfang und zeigt, wo die Prioritäten liegen. Wir wollen den öffentlichen Verkehr zu einer echten Alternative zum Individualverkehr machen, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen.
Lieber Herr Grüttemeier, ich hoffe, ich trete jetzt niemandem in der Region hier zu nahe, wenn ich anmerke, dass man vom Aachener Hauptbahnhof noch eine Dreiviertelstunde bis hierher braucht; mit Verlaub, das ist zu lange. Aber das beschreibt schon genau das Problem, das der öffentliche Verkehr hat: besonders in der Fläche bestehen noch große Herausforderungen. Wir haben auf den großen Verbindungen zwischen den Metropolen zwar oft Kapazitätsprobleme, doch da gibt es durchaus gute Verbindungen. Aber, wer wie ich regelmäßig mit dem RB1 unterwegs ist, merkt, dass es aber im Regionalverkehr noch an Kapazitäten mangelt. Auch in der Fläche, wie zum Beispiel zu so einer Event Location, müssen wir noch sehr, sehr viel deutlicher die Verbindungen und die Takte verbessern. Anders werden wir unser Ziel aus dem Koalitionsvertrag nicht erreichen, bis 2030 das ÖPNV-Angebot um 60 Prozent zu erhöhen.
Das soll dann auch der Einstieg in eine Mobilitätsgarantie für das ganze Land sein. Denn Nordrhein-Westfalen besteht – das brauche ich in dieser Runde eigentlich nicht zu betonen − nicht nur aus Städten und Ballungsräumen, sondern wir haben sehr viele ländliche Räume, in denen wir den Ausbau von Bürgerbussen und On-Demand-Verkehren brauchen. Um die Mittelzentren zu verbinden, wollen wir sehr stark die Schnellbuslinien ausbauen. Außerdem ist es unser Ziel, das S-Bahn-Netz in einen 15-Minuten-Takt und die Hauptachsen des SPNV in einen 30-Minuten-Grundtakt zu bringen. Gleichzeitig wollen wir – im Konsens mit der Bundesebene -, dass die Antriebe der Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs dekarbonisiert werden. Elektromobilität und wasserstoffbetriebene Motoren sind die Entwicklung, die heute schon stattfindet. Wir werden das nachdrücklich unterstützen.
Wir wollen mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Damit leisten wir einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz und entlasten gleichzeitig den Verkehr auf unseren Straßen. Gestern war ich noch mit dem Bundesverkehrsministerium unterwegs. Es galt, eine ganze Reihe von Fragen anzupacken, die die Gleisanschlüsse von Gewerbegebieten betreffen. Gerade hier soll die Schiene wieder attraktiver werden und ihre zweifelsfrei vorhandene Potentiale nutzen. Aber wir müssen auch über die grenzüberschreitenden Bahnverbindungen mit Belgien und den Niederlanden reden. Leider kommen sie seit Jahren nicht wirklich voran. Auch hier gilt es, noch erhebliche Potenziale zu erschließen. Meine Damen und Herren, ich möchte mich jetzt, und das wird Sie wahrscheinlich am meisten interessieren, der Straßen- und Radwege-Infrastruktur in NRW widmen: welche Bedeutung werden Straßen in Zukunft als Verkehrsträger haben und welche Schwerpunkte wird die Landesregierung setzen? Und um es gleich vorweg zu sagen: Straßen in jeder Form, angefangen beim kleinen Gemeindeweg bis hin zur sechs- oder achtspurig ausgebauten Bundesautobahn sind ein nicht wegzudenkender Verkehrsträger in unserem Lande. Die Sanierung und die Erhaltung dieser Infrastruktur hat für die Landesregierung höchste Priorität. Ich betone das besonders, weil in der Vergangenheit dieser Bereich zu sehr vernachlässigt worden ist. Und da bin ich konservativ im besten Wortsinn: wir müssen uns darauf konzentrieren, gerade die Straßeninfrastruktur, die über Jahrzehnte aufgebaut worden ist, zu erhalten. Natürlich gilt das auch für die Schiene, bei der die Lage nicht viel besser, sondern in Teilen sogar noch problematischer ist.
Wir sehen gerade im Südwestfälischen welche Probleme in einem Raum entstehen, wenn, wie durch die Sperrung der A45, plötzlich eine vorhandene Infrastruktur im wahrsten Sinne des Wortes wegbricht. Wenn NRW auch nicht Baulastträger der Bundesautobahn ist, macht dieses Beispiel für mich überdeutlich, dass wir mit der Verabredung in unserem Koalitionsvertrag auf dem richtigen Weg sind, wenn wir die vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen zunächst für die Sanierung und den Erhalt unseres Straßennetzes einsetzen. Der Neubau muss dann halt hintenanstehen. Natürlich werden wir auch weiterhin die eine oder andere Neubaumaßnahme in Angriff nehmen; das wird sich aber sehr stark auf den Bereich der Ortsumgehungen konzentrieren.
Denn weniger Verkehr im Ort bedeutet weniger Schadstoffe, mehr Sicherheit für Zufußgehende und Radfahrende, weniger Lärm und mehr Lebensqualität für die Menschen, die hier wohnen und arbeiten. Demgegenüber stehen besonders der Flächenverbrauch und die Zerschneidung der Landschaft.In Abwägung dieser Punkte werden wir den Landesstraßenbedarfsplan nach den Kriterien verkehrlicher Bedarf, Finanzierung und Klimaschutz auf Basis des Anfang 2023 fertiggestellten Landesverkehrsmodells neu aufstellen. Bei dieser Gelegenheit werden wir auch die Prioritäten für Neubauprojekte festlegen. Natürlich werden Projekte, die im Bau oder im Planungsstadium sehr weit fortgeschritten sind, soweit sich das realisieren lässt, weiter vorangetrieben. Das ist auch so vereinbart.
Im Vorgespräch hatten wir darüber gesprochen: in der Vergangenheit war es ja oft so, dass für die Verkehrsinfrastruktur das Geld fehlte. Aber inzwischen haben wir an vielen Stellen einen anderen Flaschenhals: Sie hier im Raume wissen, wovon ich spreche. Es fehlen uns zunehmend die Menschen, die diese Aufgaben erledigen können und wollen. Und das ist eines der Themen, auf die wir uns alle sehr stark konzentrieren müssen. Ich lasse keine Veranstaltung verstreichen, besonders, wenn sie vor jungen Menschen stattfindet, ohne dafür zu werben, dass sie in Ingenieurberufe gehen. Ich appelliere an alle - und auch an Sie -, diese Berufsbilder für jungen Menschen attraktiv zu machen. Sie sollten ihnen vermitteln, dass Ihre Aufgaben nicht etwas sind, die irgendwie von gestern kommen, sondern dass sie dazu beitragen, diese Welt ein bisschen klimafreundlicher, gerechter und transformativer zu machen. Das ist eine spannende Aufgabe, weil sich viele junge Menschen gerade auch einem größeren Projekt widmen wollen. Solche Bewerber brauchen wir dringend, wenn wir beispielsweise bei Straßen NRW freie Stellen besetzen wollen. Meine Damen und Herren, der Radverkehr hat für die Menschen in unserem Land enorm an Bedeutung gewonnen. Die Landesregierung wird die dafür benötigte Infrastruktur sicher und komfortabel ausgestalten. Und dem wollen wir auch durch die Bereitstellung von angemessenen Ressourcen Rechnung tragen. Bis 2027 wollen wir 1.000 Kilometer neue Radwege bauen und ein flächendeckendes Radwegenetz in Nordrhein-Westfalen schaffen. Wir entwickeln eine Potenzialanalyse für ein Radwege-Vorrangnetz und wollen die bereits beschlossenen Radschnellwege-Projekte des Landes mit Priorität weiter vorantreiben.
Aber dabei wollen wir es nicht belassen. In einem noch zu erstellenden Bedarfsplan wollen wir neue Optionen für weitere Verbindungen identifizieren und diese möglichst zügig realisieren. Um die Größenordnung und Prioritäten deutlich zu machen − wir wollen mindestens genauso viele Haushaltsmittel für den Neu- und Ausbau von Radwegen zur Verfügung stellen wie für den Neu- und Ausbau von Straßen. Gerade in einer Region wie Aachen ist das gut zu sehen, dass das Fahrrad nicht mehr nur das Freizeit-Fortbewegungsmittel nach Feierabend oder am Wochenende ist. Zunehmend werden besonders die Pedelecs im Alltag auch für den Weg zur Arbeit genutzt. Um sich dieser neuen Herausforderung zu stellen, hat die Landesregierung vereinbart, dass sie hier eine entsprechende Priorität setzen wird. Wir werden mit allem Nachdruck, und da spricht jetzt sowohl der Umwelt- wie auch der Verkehrsminister, dafür sorgen müssen, dass für die erforderlichen Infrastrukturen aber auch die notwendigen Flächen bereitgestellt werden. Dafür werden wir klare Prioritäten schaffen.Meine Damen und Herren, in Nordrhein-Westfalen leiden 1,4 Millionen Menschen unter Verkehrslärm. Diese Zahl ist entschieden zu hoch! Wir wollen sie Schritt für Schritt reduzieren und die hierfür nötigen Investitionen ermöglichen. Um hier Lösungen zu finden – lärmmindernder Fahrbahnbelag, Umbaumaßnahmen, aktiver oder passiver Lärmschutz - sind Sie mit Ihrem Wissen und Ihrer Erfahrung gefordert. Wie auch immer, wir müssen die Lärmbelastung in unserem Land reduzieren! Lärm wird zwar oft nicht so ganz ernst genommen, aber viele Studien belegen, dass auch er eine Ursache für Krankheiten ist. Und diese Ursache müssen wir bekämpfen!
Durch einen offenen Austausch und viel Engagement möchten wir den Schutz vor Verkehrslärm unbedingt weiter nach vorne bringen. Im neuen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr können wir die Positionen sozusagen „unter einem Dach“ austauschen und moderieren. Dies halte ich für eine besonders günstige Voraussetzung, um Interessen aufzunehmen und Spannungsfelder zu moderieren.
Gemeinsam mit anderen Bundesländern wurden die „Eckpunkte für eine Verbesserung des Lärmschutzes in Deutschland“ inzwischen evaluiert. Im Ergebnis treten derzeit leider immer noch viele Defizite zutage. Es fehlen weiterhin wirksame rechtliche Instrumente, um die Lärmbelästigung der Menschen, die entlang von Verkehrsweg leben, auf ein verträgliches Maß zu mindern.
Um die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen des Lärmschutzes an Verkehrswegen wirksam zu verbessern, werden wir uns auch auf der Bundesebene mit großem Nachdruck einbringen.Meine Damen und Herren, Luftschadstoffe, die vom Verkehr freigesetzt werden, haben – ebenso wie Lärmemissionen – erhebliche negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Allerdings dürfen wir heute feststellen: In Nordrhein-Westfalen hat sich die Luftqualität in den letzten Jahrzehnten stark verbessert. Wir haben in NRW schon viel geschafft, damit die Grenzwerte weitgehend eingehalten werden.Dennoch werden wir uns diesem Thema in Zukunft wieder verstärkt zuwenden müssen. Denn aktuell läuft bei der EU die Fortschreibung der Luftqualitätsrichtlinie. Die Kommission wird noch in diesem Jahr ihren Entwurf vorlegen. Falls sie den Forderungen nach einer Absenkung der Grenzwerte folgen wird, braucht es neue, sicher auch einschneidende Maßnahmen auch hier in NRW.. Aber die Hauptbaustelle auf dem Weg zu einem emissionsfreien Individualverkehr ist die Elektromobilität. Nordrhein-Westfalen hat die meisten Elektrofahrzeuge auf der Straße; da wir mit Abstand aber auch das bevölkerungsreichste Bundesland sind, ist das nicht weiter überraschend - vor ein paar Jahren war das aber noch anders. Die dynamische Entwicklung in diesem Bereich stimmt mich ehrlich gesagt froh. Als jemand, der schon seit Jahren elektromobil unterwegs ist, kann ich mich gut daran erinnern, dass man sich freute, wenn man mal jeden zweiten Tag einen anderen Elektromobilisten traf - heute ist das inzwischen Alltag, und die Zulassungszahlen steigen. Aber natürlich heißt das auch, dass wir uns noch stärker dem Aufbau der Lade-Infrastruktur widmen müssen. Die Dynamik, die lange Zeit fehlte, ist inzwischen auch da, weil wir das „Henne-Ei-Problem“ gelöst haben. Wer ein Einfamilienhaus besitzt, hat mit dem Laden ohnehin kein Problem, aber für alle anderen, die unterwegs sind, bleiben „Reichweiten“ und „Batterien“ immer noch Reizworte.
Doch wir kommen zunehmend voran, müssen aber an der einen oder anderen Stelle noch etwas nachlegen. Insbesondere müssen wir die einschlägigen Förderprogramme des Bundes und des Landes – bei uns ist das Wirtschaftsministerium zuständig - umsetzen. Wir sprechen hier über den wichtigsten Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors, um am Ende tatsächlich auch im Verkehrsbereich die Klimaschutzziele zu erreichen. Nun möchte ich auf einen weiteren Punkt eingehen, ohne den zurzeit eine politische Diskussion nicht mehr auskommt: es ist die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Beschleunigte Verfahren sind leider – verzeihen Sie mir den Begriff – alternativlos, denn ein ganz erheblicher Teil der Verkehrsinfrastruktur wird in den kommenden Jahren erneuert und saniert werden müssen. Wenn zum Beispiel für Radschnellwege im Ruhrgebiet Planungsprozesse Jahre dauern und Windenergieanlagen teilweise sieben Jahre für eine Genehmigung brauchen, dann läuft hier etwas falsch. Wir können den steigenden Anforderungen allerdings begegnen, indem wir diese Prozesse und Verfahren standardisieren, vereinfachen, verkürzen sowie verpflichtend digitalisieren und möglichst automatisieren. Dazu werden wir alle rechtlichen und technischen Mittel nutzen, die uns zur Verfügung stehen. Allerdings werden wir auch hier alle beteiligten Interessen im Auge behalten und Zielkonflikte moderieren. Beschleunigung ja, Vereinfachung ja – aber mit Augenmaß und geleitet von den fachlichen Anforderungen aller Beteiligten. Wir werden uns also sehr genau anschauen müssen, welche Stellschrauben hierfür geeignet und zielführend sind.Denn wie ich eingangs bekräftigt habe: Ich werde mich sehr dafür einsetzen, dass den naturschutz- und umweltrechtliche Belangen weiterhin Rechnung getragen wird. Sie sind in allen Planungsprozessen und Verwaltungsverfahren ausdrücklich zu berücksichtigen.
Aber ganz entscheidend ist, dass wir in den Behörden und Verwaltungen auch Menschen bekommen, die diese Arbeit tatsächlich schnell und effektiv leisten können. Und deshalb haben wir als Landesregierung vereinbart, die Umweltverwaltungen zu stärken. Ausdrücklich kam dieser Wunsch auch aus der Industrie, die gesagt hat, dass sie gerade in Zeiten der Transformation bei vielen Prozessen eine hochprofessionelle Unterstützung braucht. Meine Damen und Herren, als jemand, der hier in der Region lebt und diese katastrophale Flut im letzten Jahr miterlebt hat, muss ich sagen: wenn wir wollen, dann geht es auch. Wir sind dort inzwischen bei der Verkehrs-Infrastruktur so weit, dass wir zumindest im Straßenbereich die größten Hindernisse im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Weg geräumt haben: die Brücken sind saniert oder neu aufgebaut worden. Ich habe mir vor Kurzem eine Erft-Brücke in Euskirchen angesehen. Dort hat man beim Neubau die Risiken, die bei dieser Flut deutlich geworden sind, in der Neukonstruktion berücksichtigt. In der Bewältigung der Flutschäden haben wir uns also selbst bewiesen, dass Infrastrukturprojekte auch unter großem zeitlichen Druck zügig und doch sehr sorgfältig umgesetzt werden können. Hieraus sollten wir unsere Schlüsse ziehen! So wollen wir das serielle Bauen und Sanieren in NRW stärker etablieren. Durch systematische Innovationsförderung im Brückenbau und eine stärke Verzahnung von Planung und Bau durch Mischlosvergabe oder Funktionalausschreibungen wollen wir den Aufwand bei Planung, Ausschreibung und Bau deutlich verringern. Das sind Bausteine, mit denen wir am Ende effektiver vorankommen und die Prozesse beschleunigen können. Wenn man zum Beispiel in Lüdenscheid unterwegs ist, erfährt man sehr schnell, warum die Menschen nicht verstehen wollen, dass so ein Ersatz-Neubau für die A45 fünf oder noch mehr Jahre dauert. Sie wollen, dass das deutlich schneller geht. Klar, aber manche Verfahren können wir einfach nicht verkürzen - aber die Möglichkeiten, die wir haben, die sollten und wollen wir auch voll nutzen.
An dieser Stelle danke ich zunächst nochmals ausdrücklich den Kolleginnen und Kollegen des Landesbetriebs Straßen NRW für ihre Leistungen, die sie bei der Beseitigung der Schäden der Flutkatastrophe im Juli des vergangenen Jahres erbracht haben. Aber auch, wie sie die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Neubau der Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid angepackt hat, hat mir sehr imponiert. Vielen Dank dafür! Das zeigt auch, dass am Ende Ingenieurbüros, Baufirmen und die Menschen in den Verwaltungen es doch hinbekommen, auch in wirklich kürzester Zeit Lösungen für ihre Mitmenschen zu schaffen. Und das ist auch etwas, das ich mir für die Arbeit in der Zukunft wünsche, dass wir da tatsächlich so pragmatisch wie möglich unterwegs sind und Aufgaben da, wo es dann auch wirklich nötig ist, sehr schnell bewältigen.
Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch auf etwas eingehen, das in dieser Runde vielleicht nicht ganz unwichtig ist: Da jetzt der Verkehr an dritter Stelle im Namen des Ministeriums steht, werde ich gefragt, ob damit dieser Geschäftsbereich nun an letzter Stelle rangiert. Ich sage das sehr, sehr deutlich, dass dem überhaupt nicht so ist. Selbst wenn ich das anders wollte oder anders gewollt hätte, die ersten Wochen in diesem neuen Haus haben mir gezeigt, wo die Themen unterwegs sind, wo Arbeit zu erledigen ist und wo Dinge auch vorangebracht werden. Dabei will ich natürlich überhaupt keine Wertung vornehmen, aber seien Sie versichert, wenn ich in meinen Terminkalender gucke, da steht der Verkehr nun überhaupt nicht hinten an, sondern ganz im Gegenteil. Ich sehe das als eine große Chance, dass wir Umwelt und Verkehr, die wir jahre- oder jahrzehntelang als Gegensatz betrachtet haben, zusammen auf eine Ebene bringen. Wir müssen auch mental akzeptieren, dass wir hier keinen Gegensatz haben, sondern dass die Gelegenheit besteht, das völlig berechtigte Mobilitätsbedürfnis der Menschen zusammenzubringen mit dem genauso berechtigten Bedürfnis, in einer gesunden und gut erhaltenen Natur zu leben. Ich jedenfalls sehe meine Aufgabe in diesem Hause darin, die Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Bereichen in einem neuen Gleichgewicht auf einer Ebene zusammenzubringen.
Meine Damen und Herren, das ist der Anspruch, den der Minister Ihnen hier verkünden kann und den ich sehr gerne vertrete. Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Mentalität des gemeinsamen Miteinanders unterstützen würden. Sie sind diejenigen, die am Ende die politischen Zielvorstellungen bis hin zu den Maßnahmenprogrammen in der Praxis umsetzen müssen. Wenn die heutige Veranstaltung an diesem wunderschönen Ort dazu beiträgt, den Austausch voranzubringen, neue Ideen zu entwickeln, dann ist das ein gewonnener Tag für eine nachhaltige, bessere Mobilität in Nordrhein-Westfalen - im Zentrum Europas. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.